DEI im BGM integrieren: Wege zur gelebten Vielfalt

Babyboomer gehen in Rente, die Gesellschaft altert. Das führt zu Engpässen in vielen Berufen und einem Fachkräftemangel, der die Wirtschaft bremst. Unternehmen, die sich bei der Personalsuche bisher auf bestimmte Gruppen beschränkten, öffnen sich mittlerweile für eine breitere Zielgruppe. Diversity (Vielfalt), Equity (Gerechtigkeit) und Inclusion (Inklusion) – kurz: DEI – werden als relevante Faktoren gesehen, um zukunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir beleuchten die Vorteile von DEI und erklären, warum Vielfalt für das BGM besonders relevant ist.
Foto: Diva Plavalaguna
Vielfalt als Zukunftsthema für Unternehmen

In der heutigen globalisierten Welt werden Vielfalt und Inklusion immer bedeutender. Mit der alternden Bevölkerung wird der Fachkräftemangel in Deutschland spürbarer. Gleichzeitig wird die Bevölkerung durch dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland und die Migration immer diverser. Unternehmen streben zunehmend eine internationale Ausrichtung an, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie öffnen sich deshalb immer mehr für Beschäftigte aller Altersgruppen, Geschlechter, Nationalitäten und sexuellen Orientierungen – egal ob mit oder ohne Behinderung. Auch für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist es unabdingbar, jede:n Mitarbeiter:in individuell zu betrachten und zu fördern.

Fachkräftemangel in Zahlen

50
%
der Unternehmen mussten ihre Geschäfte aufgrund des Fachkräftemangels einschränken.
728
Tsd.
Fachkräfte werden in Deutschland im Jahr 2027 fehlen.
Definition: Was bedeutet DEI?

DEI steht für drei Konzepte, die eng miteinander verbunden sind. Sie zielen darauf ab, in Organisationen und Gesellschaften ein gerechtes und produktives Umfeld zu schaffen. Eines, das gleiche Chancen für alle bietet und Unterschiede wertschätzt.

 

  • Diversity (Vielfalt): Die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiede zwischen Menschen, wie etwa Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Behinderung und Religion.

 

  • Equity (Gerechtigkeit): Die Gewährleistung von Chancengleichheit und fairen Bedingungen für alle Individuen, indem bestehende Ungleichheiten und Barrieren abgebaut werden.

 

  • Inclusion (Inklusion): Die Schaffung einer Umgebung, in der sich alle Menschen willkommen, respektiert und wertgeschätzt fühlen und aktiv an der Organisation teilhaben können.

 

Die strategische und praktische Förderung dieser Bereiche in Unternehmen wird unter dem Begriff Diversity Management zusammengefasst.

Wie divers ist Ihr Unternehmen?

Ein guter Start ist der INQA-Check zum “Vielfaltbewussten Betrieb”. Er hilft Betrieben, zu überprüfen, ob und wie sie bereits unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten ihrer Beschäftigten in betrieblichen Prozessen einbeziehen.
Exkurs: Macht DEI Unternehmen wirtschaftlicher?

Beratungsfirmen wie McKinsey liefern beeindruckende Zahlen. Zum Beispiel, dass europäische Unternehmen mit gemischten Führungsteams oder mit mehr Frauen in Führungspositionien eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Laut Forschenden lässt sich das aber gar nicht so einfach sagen. Ihre Kritik: Die Studien zeigen bisher keinen Zusammenhang zwischen der Geschlechterdiversität in Vorständen und der Leistung des Unternehmens.3 Dafür braucht es Studien, die über einen langen Zeitraum hinweg durchgeführt werden.4

 

Aber: Dass vielfältige Teams mehr und unterschiedliche Ideen entwickeln, stimmt.4 Fachleute haben zudem herausgefunden, dass eine größere Vielfalt unter bestimmten Umständen zu einer höheren Arbeitsqualität, besseren Entscheidungsfindungen, größerer Zufriedenheit im Team und mehr Gleichberechtigung führt. Das kann Unternehmen langfristig durchaus profitabler machen.3

Vielfalt macht Teams innovativer.

DEI ist im Kontext BGM besonders relevant

Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion in das BGM zu integrieren bedeutet, die Gesundheitsförderung und -prävention so zu gestalten, dass sie den vielfältigen Bedürfnissen einer diversen Belegschaft gerecht wird. DEI ist für das BGM aus verschiedenen Gründen relevant. Zum einen kann DEI selbst positive Effekte für die Gesundheit haben. Ein Miteinander, das die Verschiedenheit von Menschen akzeptiert, wirkt sich eher positiv auf das Wohlbefinden aus – ganz im Gegensatz zu Gruppenbildung und Ausgrenzung.1 

 

Zum anderen können Betriebe, die Diversität & Co. im BGM mitdenken, passgenaue Gesundheitsangebote für ihre Mitarbeitenden anbieten. Bisher sind solche Betriebe eher die Ausnahme: Zware haben sich viele Unternehmen in den letzten Jahren branchenübergreifend verpflichtet, der Gesundheit ihrer Mitarbeiter Priorität einzuräumen und in DEI zu investieren. Doch nur wenige betrachten diese beiden Themen explizit als miteinander verbunden, wie Forschende im American Journal of Health Promotion schreiben.

 

Außerdem haben Minderheiten häufig einen anderen Bedarf an Gesundheitsangeboten. Frauen mit Migrationshintergrund etwa sind zwar seltener von chronischen körperlichen Erkrankungen betroffen, dafür leiden sie laut dem RKI aber häufiger an einer depressiven Symptomatik als Frauen ohne. Menschen mit Behinderung wiederum haben im Jahr durchschnittlich 35 krankheitsbedingte Fehltage – bei Menschen ohne Behinderung sind es im Schnitt 9.5 Das kann zu Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt und bei der sozialen Teilhabe führen. 

 

Werfen wir ein Blick auf die LGBTQI*-Community, berichten dort laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung 30 Prozent von Diskriminierung im Arbeitsleben – auch das hat Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit.6 Zudem zeigen Studien, dass lesbische Frauen ein höheres Risiko haben, übergewichtig zu sein; schwule Männer hingegen haben ein höheres Risiko, untergewichtig zu sein – beides im Vergleich zu heterosexuellen Personen.6

Foto: Mart Production
Analysephase legt Ansatzpunkte für BGF offen

Wie denkt man diese verschiedenen Bedarfe im BGM mit? Zuerst gilt es, die spezifischen Gesundheitsbedürfnisse, Bedarfe und Belastungen unterschiedlicher Mitarbeitergruppen zu identifizieren – und damit Ansatzpunkte für BGF-Maßnahmen. Gleichzeitig erfahren Sie so, ob Beschäftigte Negatives erlebt haben – etwa Diskriminierung, fehlende Barrierefreiheit oder Ungleichbehandlung. Passende Analysetools sind etwa Altersstrukturanalysen, Befragungen oder anonyme Umfragen.

 

Leitfragen, die sich Unternehmen stellen können, sind unter anderem:

 

  • Wie alt ist die Belegschaft, welchen Bildungsstand hat sie?

 

  • Gibt es Menschen mit Beeinträchtigung im Unternehmen?

 

  • Wie viele Personen arbeiten in Teilzeit?

 

  • Welche kulturellen und religiösen Hintergründe gibt es?

 

  • Gibt es Menschen, die sich queer, trans oder nicht-binär identifizieren?

 

  • Gibt es neurodiverse Menschen im Unternehmen – zum Beispiel mit Autismus, ADHS, Legasthenie oder Tourette?

„Nicht über uns, ohne uns”

Das ist einer der Grundsätze aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Er gilt weit mehr als nur für das Thema Inklusion. Um welche Personengruppe es auch geht: Ein gelungenes BGM bezieht sie von Anfang an ein – vom Steuergremium und Gesundheitszirkeln bis hin zu Vorträgen und Workshops. So stellen Sie sicher, dass Ihre BGF-Maßnahmen alle berücksichtigen.
Foto: Pexels
Beispiele: Wie DEI im BGM aussehen kann

 

  • Firma A setzt auf inklusive Sportangebote. Die Kurse sind rollstuhlgerecht zugänglich, die Trainer:innen dafür sensibilisiert, Beschäftigte unterschiedlicher Fitnesslevel und körperlicher Voraussetzungen durch die Übungen zu leiten.

 

  • Firma B organisiert einen Kochkurs zu gesunder Ernährung. Bei der Planung berücksichtigen sie die religiösen oder ethischen Ernährungsvorschriften von Beschäftigten aus anderen Kulturkreisen.

 

  • Firma C plant einen Workshop für Pflegende Angehörige. Nach enger Abstimmung mit den Betroffenen bietet das BGM-Team den Workshop zu verschiedenen Uhrzeiten an. So können auch Alleinerziehende oder Teilzeitbeschäftigte problemlos daran teilnehmen.

 

  • Firma D organisiert einen Vortrag zum Thema Alkoholprävention. Daran nehmen Personen mit Seh- und Hörbeeinträchtigung sowie Autismus teil. In Abstimmung mit dem BGM-Team engagieren sie eine Gebärdensprachdolmetscherin, versenden die Präsentation vorab in einem barrierefreien Format (u.a. Braille-Schrift) und richten einen Ruheraum als Rückzugsort ein.

 

  • Firma E startet eine Initiative zur Förderung der mentalen Gesundheit und zur Stressprävention. Bei der Konzeption der Angebote wird berücksichtigt, dass Mitarbeitende mit Migrationshintergrund oder People of Color (PoC) spezifischen Stressoren ausgesetzt sein können, wie zum Beispiel Mikroaggressionen. Zudem sollen Beschäftigte für das Thema Intersektionalität sensibilisiert werden.

Was bedeutet Intersektionalität?

Der Begriff Intersektionalität beschreibt, wie verschiedene soziale Merkmale einer Person – etwa Geschlecht, Herkunft, Behinderung oder Alter – nicht isoliert voneinander wirken. Stattdessen überschneiden sich diese Identitäten und können zu einzigartigen, überlappenden oder verstärkten Formen von Diskriminierung und Belastung führen. Eine Schwarze Frau erfährt beispielsweise nicht nur Rassismus und Sexismus getrennt, sondern eine spezifische Diskriminierungsform, die beide Merkmale verschränkt.
DEI-Strategien durch Monitoring & Evaluation optimieren

Wie viele Personen haben die Angebote genutzt und wie wurden sie bewertet? Wie lassen sich die Angebote noch bedarfsgerechter zuschneiden? Damit Sie Ihre Maßnahmen laufend verbessern können, brauchen Sie konkrete Messzahlen. Etablieren Sie dafür ein Monitoring zur Bewertung. Möglich sind u.a. anonyme Umfragen, über die Beschäftigte Feedback geben und Verbesserungsvorschläge machen können. Oder ein Employee Engagement Score, der ermittelt, inwiefern sich Mitarbeitende vom BGM gehört, gesehen und eingebunden fühlen.

Foto: Alex Green
  • “Die Frage, die Unternehmen sich stellen müssen, ist, wie sie dafür sorgen können, dass sich alle im Unternehmen gewollt fühlen.”
    – Brooke Gazdag, Organisationspsychologin an der Kühne Logistics University in Hamburg (4)
Fazit: Über die Wirtschaftlichkeit hinaus denken

Die Forschung hat mittlerweile gezeigt: Einfach nur den Anteil unterrepräsentierter Personen und Gruppen zu erhöhen – nach dem Motto “einmal Diversität hinzufügen und umrühren” –, führt nicht automatisch zu Vorteilen.3 Genauso wenig wie PR-Bekenntnisse zu Diversität und Inklusion. Befragungen haben gezeigt: Führungskräfte behaupten, ihre Unternehmen seien divers und inklusiv – dabei sind viele Mitarbeitende da ganz anderer Meinung.4 Es besteht also großer Nachholbedarf. Für nachhaltigen Erfolg von DEI müssen Unternehmen ihre Strategien bedarfsorientiert und systematisch verankern.

 

Häufig stoßen DEI-Initiativen und Programme noch an ihre Grenzen oder fallen unter den Tisch. Besonders, wo Vielfalt keinen direkten Gewinn verspricht oder hohe Kosten verursacht, drücken Unternehmen schnell auf die Bremse. Das ist aber der falsche Ansatz – gerade wenn es um die Gesundheit von Beschäftigten geht. Mit einem DEI-orientierten BGM sprechen Unternehmen mit ihren Gesundheitsangeboten nicht nur mehr Beschäftigte an – was beiden Parteien zugutekommt –, sondern sie bieten auch die Möglichkeit, BGM aktiv mitzugestalten. Das stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit. Und zeigt den Beschäftigten jeder Gruppe: „Wir wertschätzen eure individuellen Bedürfnisse und Interessen, uns liegt die Gesundheit aller am Herzen.”

1
Faller (2023): Diversityorientiertes Betriebliches Gesundheitsmanagement
2
IW (2024): Arbeitsmarkt: 2027 fehlen 728.000 Fachkräfte in Deutschland
3
Harvard Business Review (2020): Getting Serious About Diversity
4
Robert Bosch Stiftung (2024): Mehr Diversität, mehr Gewinn?
5
Holzgreve et al. (2025): Inklusion und Gesundheit am Arbeitsplatz
6
BIÖG (2025): Queere Vielfalt in Gesundheitsförderung und Prävention